Im Feld mit...Studierenden: Auswirkungen der Covid19-Pandemie auf den Aktivismus und die Organisation von „Fridays for Future“ in Halle und Leipzig

Im Feld mit…Studierenden: Auswirkungen der Covid19-Pandemie auf den Aktivismus und die Organisation von „Fridays for Future“ in Halle und Leipzig

M. Fuchs; S. Haase; J. Hofmann; M. Osmann; R. Thiel; R. Vinci

Einleitung

Die Auswirkungen von Covid19 auf das gesellschaftliche Zusammenleben scheinen allgegenwärtig. Auch die Aktivitäten politisch-aktivistischer Gruppen und Bewegungen sind von den Maßnahmen zur Einschränkung der Pandemie betroffen. Unser kollaboratives Forschungsprojekt wollte deshalb der Frage nachgehen, inwieweit sich der Aktivismus und die Organisation solcher Gruppierungen durch die sogenannte „Corona-Krise“ und die in diesem Rahmen durchgesetzten Maßnahmen verändert haben.

Zur Datenerhebung haben wir im Juli 2020 zwei qualitative Interviews, je mit einer Person von Fridays For Future Halle und Leipzig, sowie eine teilnehmende Beobachtung bei einem Leipziger FFF-Onlineplenum durchgeführt. Diese beiden Ortsgruppen boten sich an, weil alle Mitglieder unserer Forschungskollaboration in Halle oder Leipzig wohnen und zudem durch erweiterte Freundeskreise bereits lose Kontakte zu FFF-Aktivist*innen bestanden, welche uns den Zugang zum Feld erleichterten.

Bei der Analyse sind wir eher deskriptiv als interpretatorisch vorgegangen. Das begründet sich vor allem in der Tatsache, dass es sich bei unserer Arbeit um eine Forschungsübung handelt, wodurch sowohl unsere theoretische Rahmung, als auch die Menge der erhobenen Daten nicht besonders umfassend sind. Das Ziel war nicht, zu einer bahnbrechenden neuen Theorie zu gelangen. Dennoch ist eine interessante Momentaufnahme entstanden, aus der sich durchaus relevante Erkenntnisse ableiten lassen.

Ergebnisse (Kurzfassung)

Die Covid19-Pandemie und die Maßnahmen zur Eindämmung derselben hatten einen mehr oder weniger drastischen Einschnitt in nahezu allen Lebensbereichen der FFF-Aktivist*innen, aber auch der restlichen Gesellschaft zur Folge. Zusätzlich zu direkten Auswirkungen auf die Organisation und Handlungsspielräume von politischen Gruppen sind auch indirekte, wie etwa der allgemeine psychische Effekt des „Social Distancing“, interessant. Diese lassen sich allerdings weniger eindeutig zurückverfolgen und variieren maßgeblich von Person zu Person. Daher und aus Kapazitätsgründen wurden sie in unserer Arbeit größtenteils außer Acht gelassen. Dennoch sollte hier ihre Relevanz erwähnt werden.

Ein großes Problem der vergangenen Monate für die FFF-Ortsgruppen Halle und Leipzig war der Motivationsmangel. Dieser kann darauf zurückgeführt werden, dass Vieles, was die Aktivist*innen zuvor begeistert oder deren Engagement aufrechterhalten hat, unter den besonderen Umständen fehlte. Im Folgenden wird auf zwei Aspekte weiter eingegangen.

Sowohl in Bezug auf aktuelle Einschränkungen, als auch auf zukünftige Aktionsformen spielt „die Straße“ eine zentrale Rolle. Als öffentlicher Raum konnte sie in der Vergangenheit gleichzeitig zur Verbreitung der Inhalte von FFF, zur Zusammenkunft von Mitgliedern und Unterstützer*innen genutzt und als Machtausdruck blockiert werden. In diesem Sinne scheint der Ort Straße die physikalische Manifestation der größeren gemeinsamen Ressource der Bewegung zu sein (Kurnik und Rasza 2012: 245). FFF als „politisches Zuhause für […] junge Menschen“ hat sein eigenes Zuhause insofern vorerst verloren.

Ebenso beklagt wurde, dass Plena durch die Verlagerung ins Digitale auf organisatorische Besprechungen reduziert wurden, während zwischenmenschliche Nähe und „Spaß“ kaum Zeit oder Raum hatten. Es ist nicht zu unterschätzen, welche Rolle diese Komponente für (junge) Menschen in politischen Gruppierungen spielt – für viele Mitglieder ist FFF eben „auch ein Freundeskreis“. Das kann zwar einerseits bedeuten, dass die Beziehungen nachhaltiger und robuster sind. Andererseits scheint das Engagement damit verknüpft, ob Aktivist*innen ihr Tun nicht nur als sinnvoll, sondern auch als angenehm oder sozial befriedigend empfinden – was in Zeiten der Kontaktbeschränkung nicht unbedingt gegeben ist.

Ob diese Veränderungen lediglich eine Herausforderung darstellen, die bewältigt werden kann und womöglich zu einer konstruktiven Neuorientierung der Bewegung führt oder ob sie FFF in seinem Wesen so angreifen, dass die Bewegung droht sich daran aufzulösen, hängt letztlich auch vom weiteren Verlauf der Pandemie ab.

Literatur

Kurnik, Andrej und Maple Rasza. 2012. „The Occupy Movement in Zizek’s Hometown: Direct Democracy and a Politics of Becoming.“ American Ethnologist 39 (2): 238-258.

Der Zwischenbericht des Projektes findet sich als Vodcast hier: